X hat im Mollathskandal eine Rolle gespielt. X ist wirklich mächtig. X schweigt.
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Denkt man über den Mollathskandal nach, sollte man sich darüber klar sein, auf welcher Ebene:
– auf der Ebene des Fußvolks – “Ebene Grötsch” – Polizeibeamte, manche Justizakteure, Wald- und Wiesen-Gutachter, manche Bankmitarbeiter
oder
– auf der tertiären Ebene – “Ebene Brixner” – Richter und Staatsanwälte, Creme-Gutachter, auch mittlere Bankmanager
oder
– auf der sekundären Ebene – “Ebene Beckstein” – Politiker, Bankmanager, Spitzen der Justiz
oder
– auf der primären Ebene – vielleicht “Ebene Rampl” zu nennen, besser aber doch “Ebene X”.
Vielleicht gehören Letzterer (zumindest zeitweilig) die obersten Bankmanager an, sonst aber Unsichtbare. (Manche Leute, die behaupten, nur Beweise gelten zu lassen, erklären die Unsichtbaren zu Erfindungen, Einbildungen. Das vereinfacht die Lage. Leider gibt es “Spuren” (in Form von Milliarden), die nun auch zu Einbildungen erklärt werden müssen. Das verkompliziert die Lage.)
Auf den jeweiligen Ebenen stehen manche Personen im Zentrum, manche eher am Rande.
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Es gibt die Meinung, daß Beckstein eine zentrale Rolle im Mollathskandal spielte; nicht nur, weil er eine der zentralen Figuren der Nürnberger Szene war und ist. Beckstein ist langjähriger Polizeiminister, Mann des harten Durchgreifens, durchaus auch mit fragwürdigen Methoden (Import einer dann bei uns verbotenen Verhörmethode aus den USA nach Bayern, deren Name mir gerade entfallen ist). Zahlreich sind die Polizeiübergriffe gegen Mollath. Beckstein ist seit 2001, also während der ersten Akutphase des Mollathdramas (2003 bis 2006), Stellvertretender Ministerpräsident, zweiter Mann nach Stoiber. Beckstein ist 2007/2008 Ministerpräsident, das ist die Zeit, in der die Aktivitäten von Richterin Fleischmann und Psychiater Diekhöfer weitgehend ins Leere laufen und Mollaths Situation in Straubing (unter Mitwirkung Kröbers) aussichtslos bleibt. Weniger bekannt (jedoch mühelos zu googeln) ist die Banken- und Finanzkompetenz des Günther Beckstein, die über Bayern LB und Hypo Alpe Adria in damalige Haider-Gefilde reicht.
All das (und mehr) sind Tatsachen, die zu Vermutungen Anlaß geben, aber natürlich keine Beweise sind. Nach Letzteren müßte man im Interesse umfassender Aufklärung fragen, z. B. als Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags. Das interessierte den UA aber nicht. Da kann Mollath gerne zu Protokoll geben, er habe dem Herrn Beckstein 10x geschrieben. Das interessierte den UA immer noch nicht. Diesem UA konnte man ja ins Stammbuch, aka Revisionsbericht der Bank, schreiben, daß eine Person von öffentlicher Bedeutung betroffen sei. Das – reife Leistung – untersuchte der UA ebenfalls nicht. (Anscheinend wäre es nicht ganz falsch, sich des bayerischen Untersuchungsausschusses (UA) zugleich als Nicht-Untersuchungsausschuss (NUA) zu erinnern.)
Da der UA sich auch nicht für Stoiber interessierte, nicht für Seehofer, nicht für Söder, nicht für Faltlhauser, Huber, Fahrenschon, für Haderthauer sowieso nicht; auch nicht für die den Genannten unmittelbar Nachgeordneten (die ja bekanntlich oft die eigentliche Arbeit machen) stoßen wir gar nicht überraschend auf ein wohlbekanntes Phänomen:
Dunkelheit!
Das Fußvolk und einige Unteroffiziere des Mollathskandals wurden/werden mehr oder weniger grell beleuchtet. Was sich auf der sekundären Ebene abspielte aber ist bis heute weitgehend im Dunkel. Und was die von mir so genannte primäre Ebene betrifft, ist die Finsternis so undurchdringlich, daß Naive fragen: Gibt es diese Ebene überhaupt?
Manchmal erlauben auch Kleinigkeiten erstaunliche Einblicke. Das Buch “Soziale Ungleichheit – kein Thema für die Eliten?” von Michael Hartmann, Campus Verlag, 2013 hält brisante Forschungsergebnisse über die deutschen Eliten bereit. Mich brachten schon Fakten zum Nachdenken, die eigentlich noch vor der eigentlichen Forschung lagen, Fakten zur Datenbasis.
Hartmann wollte nur die Kernelite untersuchen und definierte daher 999 Positionen in der deutschen Gesellschaft, die von 958 Personen eingenommen wurden. Diese Gesamtzahl verteilt sich auf das große Lager der Wirtschaft, einschließlich der Wirtschaftsverbände (44%), das Lager des Staates, bestehend aus Politik, Justiz, Verwaltung und Militär (40%) und weitere Bereiche, vor allem Medien und Wissenschaft. Leider willigten nur 351 Personen (37%) der 958 ausgewählten in eine Befragung ein. Bemerkenswert war, daß entscheidende Bereiche, die allesamt intensiv mit dem Instrument Befragung arbeiten, nur in besonders geringen Maße zum Interview bereit waren. Von den 405 Zielpersonen der Wirtschaft beteiligten sich gerade einmal 25%, von der Politik (134 Zielpersonen) 22% und von den Medien (46 Zielpersonen) ebenfalls 22%. (Hartmann a. a. O. S. 29-32)
Wohlgemerkt, es gab keine peinliche Verhörsituation, der Zeitaufwand war auf eine Stunde begrenzt, es ging allein um Erkenntnis, Erkennbarkeit, Transparenz. Doch 75% bis knapp 80% dieser “Leistungsträger”, die ständig das Wohl der Allgemeinheit im Munde führen, sah sich nicht imstande, einem begründeten Informationsinteresse der Allgemeinheit nachzukommen. Wie dieser Sachverhalt zu interpretieren ist, muß – so Hartmann – offen bleiben. Diese Daten aus einer belastungsfreien Situation vor Augen, wundert es mich nicht, wenn sich solche Verantwortungsträger “im Ernstfall” auszeichnen durch: Täuschen, Tricksen, Mauern.
Auch der Soziologe Hans-Jürgen Krysmanski (oder hier) hat sich mit Eliten beschäftigt, denen des Reichtums und Superreichtums.
Was ist mit Superreichtum gemeint? “In harten Zahlen liegt die Grenze zwischen reich und superreich bei rund 500 Millionen Dollar frei verfügbarem Vermögen (also abzüglich der selbstgenutzten Immobilien, der zum Lebensstil gehörenden langlebigen Güter, wie Autos, Yachten usw.)… Unter ihnen sind – die Schätzungen gehen weit auseinander – rund 3000 Milliardäre.” (Pos 776)
Das sind weltweit etwa 10 000 bis 20 000 Superreiche. Man kann sich diese Kernzone gut als ein schwarzes Loch vorstellen, um das herum sich etwa 100 000 “ultra-high net-worth individuals” (UHNWIs) gruppieren mit Vermögen zwischen 30 und 500 Mio Dollar und weitere “konzentrische Ringe” mit abnehmenden Vermögensvolumina.
Was interessiert uns diese abgehobene Welt?
“Es geht um die Dialektik der absoluten Privatheit des Superreichtums und der aus dieser dunklen Zone heraus möglichen unkontrollierbaren Ausübung von Macht.”(Pos 574) “Die Superreichen… verkörpern… nichts so sehr, wie die Befreiung großer Geldmengen aus der Warenform und deren Umwandlung in die Machtform.” (Pos 605) Die Hervorhebung ist von mir – kranich05.
Zwischenbemerkung: Die vorstehenden Zitate haben merkwürdige Quellenangaben. Krysmanskis Buch “0, 1 % Das Imperium der Milliardäre”, Westend Verlag, 2012 ist das erste (und letzte!) Buch, das ich über Kindle-Shop für meinen Tablet-PC gekauft habe. Ich kann es weder verborgen, noch verschenken, noch Zitate herauskopieren und auf meinen PC übernehmen oder auch nur Textstellen für Nicht-Kindle-Nutzer nachvollziehbar angeben. Nie wieder!
In seinem Buch macht Krysmanski deutlich, wie diese Weltmacht-Geldmacht im Begriff ist, in jede Pore des Alltags einzudringen und das gesamte Leben der Menschheit zu verändern. Deshalb und nicht aus “Sozialneid” gehört das Thema auf die Tagesordnung. (Übrigens entwickelt Krysmanski seine Einsichten auch überzeugend in einem zweiteiligen Interview bei KenFM.)
Was hat das alles mit Mollath zu tun? Die Frage, an welcher Stelle des Krysmanskischen Strukturmodells Dieter Rampl steht, interessiert letzten Endes nicht. Auch, ob der Industriellenclan Diehl, Nürnberg, zu den Superreichen gehört, ist nur von begrenztem Interesse. Nicht ganz klar ist mir, in welchem Maße Gustl Mollath überhaupt die Bankenkriminalität im Auge hatte. Anfangs erhoffte er sich von den Spitzenmanagern der Bank Hilfe, um seine Frau von krummen Wegen abzubringen. Ob und mit welcher Konsequenz er später die Banken als eigentliche Haupttäter erkannte, kann ich nicht einschätzen.
Etwas anderes ist wichtig. Es sind die Deals, die in den Jahren 2003-2009 (und später) mit HVB und HRE gemacht wurden, Quellen Wikipedia und Lobbypedia. Das sind Deals, die auf der Ebene der bundesrepublikanische Polit-Elite abgewickelt werden mußten, Merkel und Steinbrück im Schulterschluß, unvergessen. Die Garantien erreichten dreistellige Milliardenbeträge, die direkten Hilfen zweistellige Milliardenbeträge. Dieses Geld brachten die deutschen Steuerzahler auf und mästeten damit (natürlich unbekannte) Superreiche. In diese Größenordnungen ist Gustl Mollath hineingeraten. Darum, so meine Behauptung, saß er nicht irgendwo, sondern in Straubing. Das ist das Lehrstück, aus dem ein Schmarrn gemacht werden soll.
